Mittwoch, 26. März 2008

Manchmal handelt Gott erst wenn ich aufgebe...

Seit der zehnten Klasse war Horst mein allerbester Freund. Wir hatten den selben Musikgeschmack, die selbe Vorliebe für lange Haare, Experimente mit Drogen und die selbe Abneigung gegen das Establishment, Schlager, Volks- und Popmusik.
Wir hingen jeden Tag zusammen, hörten Musik, rauchten Haschisch warfen manchmal einen LSD-Trip und gingen gemeinsam auf Konzerte.

Als sich Horst und Regina, seine damalige Freundin zu Jesus bekehrten, dauerte es nicht lange, bis Sylvia und ich uns auch bekehrten. - Horst war immer schon der Anführer und Vorreiter von Allem gewesen. So auch jetzt.
Allerdings nahm sein Leben kurze Zeit danach eine Wendung, die ich nicht mitmachen wollte: Er fing eine Beziehung zu einer verheirateten Frau an und rutschte kurz darauf in eine Heroinsucht ab.
Wir beteten als Hauskreis damals wie die Weltmeister für ihn, daß er wieder Vernunft annehmen würde und zu Jesus und unserer Gemeinde zurückkäme.
Wir besuchten ihn als Hauskreis in seiner Wohnung und redeten mit Engelszungen auf ihn ein - doch die Sucht war viel stärker als unser Bemühen.
Dann hatten wir als Hauskreis eine ganz besondere Gebetszeit für ihn. Wir beteten sehr ausdauernd, intensiv und von ganzem Herzen. Plötzlich empfing ich in meinem Herzen eine starke, übernatürliche Gewissheit, daß Gott unser Gebet erhört hatte und das Horst wieder zum Herrn zurückkommen würde. Ich war sehr glücklich und erleichtert. In der Folgezeit erzählte ich jedem, daß Horst sich ganz bestimmt bald bekehren würde und von dem Teufelszeug Heroin loskäme. Ich war mir dessen völlig sicher.
In den folgenden Jahren beteten wir immer wieder für Horst, der einmal sogar für sich beten ließ und versuchte zu hause einen kalten Entzug zu machen. Doch die Entzugserscheinungen waren ihm zu unerträglich. Unter einem Vorwand stahl er sich aus dem Haus und ging wieder auf die Drogenscene.
Zu der einen Sucht kamen noch die Süchte nach verschiedenen Medikamenten und Alkohol hinzu und Horst fing an zu stehlen und zu lügen, daß sich die Balken bogen.
Man muss entweder mit guten Lügen von anderen Geld erschwindeln, Drogen verkaufen oder sonstwie kriminell werden um solche Süchte finanzieren zu können.
Nach zehn Jahren voller Glaubensbemühungen und ständigen Einladungen in unsere mittlerweile neue Gemeinde war ich so Enttäuscht und desillusioniert, daß ich jede Hoffnung auf seine Rettung aufgegeben hatte und nur noch erwartete, seinen Namen eines Tages in den Todesanzeigen zu finden. Einmal las ich ihn dort sogar und erschrak fürchterlich, stellte aber fest, daß das Geburtsjahr nicht stimmte. Er hat einen sehr geläufigen Nachnamen.
Er wurde immer finsterer, zynischer und abgebrühter, je öfter wir ihn trafen. Geld gaben wir ihm schon lange nicht mehr und warnten auch seinen Vater und alle seine Bekannten davor, ihm etwas zu geben, da er alles nur für seine Sucht aufbrauchte. Entzug wollte er nicht mehr machen, schon gar nicht in irgendeine stationäre Therapie gehen.
13 Jahre nach seinem Rückfall vom Glauben stand ich auf der Bühne unserer Gemeinde, um mal wieder den Lobpreis zu leiten. Es war eine Versammlung mit dem Evangelisten Bob Main, der einige Tage bei uns war.
Mein Herz fiel mir völlig in die Hose, als ich plötzlich Horst durch die Gemeindetür kommen sah. Er sah schlecht und richtig elend aus. "Hoffentlich begegnet er heute Jesus", dachte ich bei mir, "hoffentlich schreckt ihn unser Lobpreis nicht ab, und hoffentlich findet Bob Main die richtigen Worte" kam ein ängstlicher Gedanke nach dem Anderen. Ich zitterte innerlich und schickte lauter ungläubige Stoßgebete zum Himmel.
Viele der Gäste kamen beim Altarruf nach vorne und ließen für sich beten - Punker, Kaputte, Normalos und - mein bester Freund Horst!
Alle fielen ausnahmslos unter der Kraft Gottes zu Boden. Horst hatte dabei eine Vision von Jesus am Kreuz, der zu ihm sprach.
Noch am selben Tag ging er in ein Übergangshaus vom "Neuen Land" zum Drogenentzug und danach aufs Land in eine christliche Drogentherapie. Preis dem Herrn!
Und ich hatte schon vor Jahren aufgehört, für ihn zu beten, zu glauben und zu hoffen - ich hatte ihn völlig abgeschrieben!
Aber Gott wohl offensichtlich nicht! Manchmal scheint Gott erst dann zu handeln, wenn ich völlig aufgegeben habe...
Viele Jahre später leiteten Horst und seine Frau dann einige Zeit sogar selbst dieses Übergangshaus für Suchtkranke und zeigten Anderen den Weg zu Jesus und aus der Sucht.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Cool.
ich fühlte mich gestern wieder so dermaßen von Gott, ne von mir selber verarscht, dass ich mich (vor mir selbst) in Grund und Boden geschämt hab. Im totalen Elend (Gejammer halt) hatte ich das Gefühl, er wird sich drum kümmern, schnapp mir ne Bibel, schlag auf und es passt. Am nächsten Tag so einen online-Tagesspruch angeklickt und er passte. Ich schweb behütet in meine gefürchtete Situation und es passt. Yeah. Kurz drauf kracht alles zusammen... und ich komme mir SO blöd vor. Ja klar, Gott redet mit mir, grad mit mir und grad darum wird er sich kümmern... ich Vollidiot....ich peinlicher Vollidiot.
Vielleicht bin ich zu kurzsichtig, vielleicht doch erstmal abwarten...

Don Ralfo hat gesagt…

@TrüLo: Und bitte bitte Dich nicht selbst für Deine Schwächen verurteilen! Hat keinen Zweck, bringt Dich überhaupt nicht weiter nach vorn. Außerdem: Willst Du dem Chefankläger etwa auch noch den Job wegnehmen? Ich bin der festen Überzeugung, daß Du im Grunde richtig "Knorke" bist.
Übrigens habe ich oft das gleiche Problem mit mir, muss mir diesen Rat auch öfter selber geben! In der letzten Zeit höre ich sogar oft auf mich und finde mich dann gar nicht mehr so schrecklich, sondern ganz OK. ;-))

Anonym hat gesagt…

...find ich gut, dass du die geschichte noch mal aufgeschrieben hast. ist doch immer wieder ermutigend, sich daran zu erinnern, dass Gott handelt - auch wenn oft anders als erwarten oder wenn wir schon aufgegeben haben. liebe grüße von dm

Bento hat gesagt…

..wie krass - toll - Halleluja!!!
Diese Story hat das Label "Wunder" echt verdient - yess!

storch hat gesagt…

wow, da könnte ich immer heulen, wenn ich so was lese. danke, jesus!