Sonntag, 30. September 2007

Beziehung - Ehekrise - Trennung - Scheidung

Unser großes Hauskirchenthema
Vielleicht haben es ja einige in unserer Hauskirche noch nicht gemerkt. Aber die Beziehung zwischen Männern und Frauen ist der große Dauerbrenner in unserer Gemeinschaft. Lange Zeit war es ein runnig Gag, dieses neckische Spielchen über die richtige Theologie und den Stellenwert der Frau in der Gemeinde und Ehe. Die Frage der Unterordnung unter den Ehemann als Oberhaupt der Familie und wie der Ehemann es wohl schaffen soll, seine Frau so zu lieben, wie Christus die Gemeinde liebt. (Nämlich bis hin zum Tod am Kreuz)Wir diskutierten darüber, was der Urtext der Bibel wirklich zu bedeuten hat und ob manchmal aus patriarchalischen Gründen falsch übersetzt wurde u.s.w.
Während der ersten Jahre unserer Gemeinde waren einige Ehen bei uns in schwierigem Fahrwasser. Wir pflegten ein sehr offenes Gespräch über unsere Beziehungs und Eheprobleme. Wir beteten füreinander. Wir gaben einander Ratschläge und Seelsorge. 2 Ehen kriegten die Kurve, eine Ehe ging zu Bruch.Die Risse waren nicht mehr zu kitten, zuviel war kaputtgegangen. Es war sehr traurig, diese Verletzungen und Schmerzen nicht heilen zu können.Es war sehr traurig zu erleben, wie der beste Rat nicht weiterhalf. Natürlich war unser Rat begrenzt und unser Gebet vielleicht manchmal schwach. Aber wir waren sehr offen zueinander, mehr als ich das jemals in einer christlichen Gemeinde erlebt hatte.
Dann kamen neue Leute hinzu. Allesamt lebten von ihrem Ehepartner getrennt oder standen vor der Scheidung.
Möchte Gott uns als Hauskirche damit etwas sagen? Sollen wir eine Art Auffangbecken für Ehegeschädigte Christen sein?

Heute morgen tönte aus dem Radio, daß mittlerweile 40% aller Ehen kaputtgehen.
Offenbar sind auch wir Christen von dieser Welle des Zeitgeistes nicht verschont geblieben. Früher dachte ich immer, Scheidung und Wiederverheiratung sei ein typisches Problem der amerikanischen Christen. Es war mir sehr suspekt, wie schnell dort Ehen geschieden wurden und offenbar mit dem Segen der (Frei) Kirche wieder geheiratet wurde. Und das machmal mehrmals hintereinander.

Ich dachte immer die Ehe unter Christen sei ein Bund mit Gott für die Ewigkeit: Bis das der Tod uns scheidet! Wozu sonst erst heiraten?
Aber offensichtlich kann die Ehebeziehung auch unter deutschen Christen manchmal so dermassen schwierig werden, daß gar nichts mehr geht. Das ist besonders tragisch, wenn Kinder beteiligt sind.

Was tun wir in unseren „tiefgläubigen“ Freikirchen, wenn das Kind nun mal in den Brunnen gefallen ist?
Meiden wir die „gottlosen“ Ehebrecher oder stossen wir sie sogar aus der Gemeinde aus?
Haben wir Rat, Hilfe und Begleitung für die Beteiligten nach so einem „Ehe-Unfall“ oder behandeln wir sie nur noch wie Aussätzige, die gerade so eben noch in der Gemeinde toleriert werden?
Schweigen wir lieber über die traurigen Vorfälle und kehren alles möglichst sauber unter den Teppich?

Ist Gott mit den gescheiterten Eheleuten etwa am Ende? Zeigen sie durch ihr Scheitern, daß sie von Gott abgefallen sind und nun nicht mehr in den Himmel kommen?
So mögen manche christlichen Saubermänner denken. Ich weiß darüber bescheid, denn ich war früher selbst mal einer davon.
Ich kann nicht daran glauben, daß der Gott der Liebe irgendjemand von sich wegstößt, der gesündigt hat oder in seinem Leben als Christ gescheitert ist.
Denk mal an das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner. (Luk.18, 10-14) Wer von Beiden wurde von Gott gerechtfertigt?


Die vielen gescheiterten Ehen in Deutschland sprechen meiner Meinung nach unter Anderem von einer steigenden Beziehungs-Unfähigkeit.
Hat die Gemeinde eine Antwort auf dieses Problem? Wie wichtig sind gesunde Beziehungen in einer Gemeinde? Sind wir als Menschen vielleicht auch in unseren schönen Freikirchen oft isoliert und vereinsamt?
„Das kommt bei uns nicht vor, wir sind eine liebevolle Gemeinde und treffen uns mindestens 3mal pro Woche“, mag vielleicht jemand sagen.
Aber wie sehen unsere „liebevollen“ Beziehungen untereinander denn wirklich aus? Sind sie nur darauf begründet, daß wir im gleichen Aktionsteam der Gemeinde oder in der gleichen Arbeitsgruppe sind?
Wie sieht es mit denen aus, die unsere beliebten Arbeitsgruppen aus irgendwelchen Gründen verlassen? Werden unsere „liebevollen“ Beziehungen noch weiterhin gepflegt, wenn Menschen Probleme bekommen und durchs Gemeinderaster fallen?
Beziehungen gehen nur dann tiefer und werden tragfähig, wenn man zusammen redet und kommuniziert. Wenn die Meinung, das Denken und Fühlen des Anderen mich überhaupt nicht interessiert, kann es keine gesunde und liebevolle Beziehung oder Freundschaft geben.

Wenn Beziehungen in einer christlichen Gemeinschaft nur auf dem gemeinsamen Glauben oder noch schlimmer: der Rechtgläubigkeit des Anderen beruhen, kann es keine echte Freundschaft und Liebe geben.
Die Kirchen und Gemeinden, die ich bisher persönlich kennengelernt habe, waren mehr oder weniger totalitäre Systeme.
Einer, oder eine kleine elitäre Gruppe hat das Sagen und der Rest hat sich gefälligst unterzuordnen! Wo kommen wir denn hin, wenn das dumme Volk mitregieren würde?
One Size fits all – Der große oder kleine Gemeindehut wird allen auf den Kopf gesetzt und hat gefälligst zu passen.
Alles was übersteht wird abgeschnitten. Was nicht passt, wird passend gemacht.
Und sonntags kommt die Predigt-Dusche, um alle Zweifelnden auf Kurs zu bringen. Die Hauskreise sind meist Spiegelbilder des Sonntagsgottesdienstes, nur etwas lockerer.
Über Zweifel, Fragen, Probleme und Sünde wird nicht geredet. Für die wird schnell gebetet und wenn das nicht hilft muss man halt in die Seelsorge und wird ein „Fall“.
Wie sollen da echte, reife und mündige Beziehungen entstehen?
Kein Wunder, daß der „Scheidungsdämon“ auch in unsere superfromme Welt der Gemeinde Einzug gehalten hat: Die Kommunikation ist eine sehr einseitige.
Von Oben (Der Kanzel) nach unten (Der Gemeindetrottel)
Wir erziehen eine Generation von Radfahrern: Nach oben buckeln und nach unten treten.

Aber das Treten machen wir natürlich voller Liebe und nennen es Ermahnung.
Jeder möchte natürlich gern nach oben, denn auf der Bühne wird man gesehen und als Mensch wahrgenommen. Aber leider ist die Kanzel zu eng für so viele.
Da müssen die Leute rauf, die den anderen am Besten stecken können, wie unmündig, passiv und lau der Rest ist.
Oh ja, das kann man gut sehr liebevoll und fromm verpacken!
Aber Kommunikation ist immer eine zweiseitige Angelegenheit, sonst funktioniert sie nicht auf Dauer. Die Leute, die immer nur gesegnet und beregnet werden, werden auf Dauer sehr unzufrieden und möchten auch gern mal etwas zu sagen haben. Vor allem möchten sie als echte Menschen wahrgenommen werden.
Wenn wir als Gemeinde irgendeine gesellschaftliche Relevanz bekommen möchten, ist das der Punkt, an dem wir arbeiten müssen: Beziehung und Kommunikation untereinander und mit Nichtgläubigen!
Raus aus dem frommen Ghetto und mit allen Menschen reden, diskutieren, feiern, spielen und austauschen. Und vor allen Dingen: Zuhören lernen und nicht predigen lernen.
Sonst sind wir vielleicht auch nur: Another Brick in the Wall!
Ein endloses Thema. Gut für Deinen Hauskreis, Deine Gemeinde oder Hauskirche. Bitte einsteigen und abfahren!
Gottes Segen an Alle
Ralf

1 Kommentar:

Günter J. Matthia hat gesagt…

Ein heikles Thema, fürwahr. Da klafft Wirklichkeit und Ideal schon auseinander, ob nun in charismatisch-freikirchlichen oder amtskirchlichen Gemeinden; ich vermute, dass der Unterschied nicht so gewaltig ist.