Manchmal sitze ich im Bus oder der Straßenbahn, schaue mir die Leute an und denke: "Wie traurig und einsam so viele Menschen doch sind."
Sie sind in sich gekehrt, niemand schaut sich direkt an oder lächelt gar. Fast könnte man meinen die ganze Straßenbahn (Die Menschen darin, nicht die Bahn) oder sogar ganz Deutschland ist von einer kollektiven Depression befallen.Warum unterhält sich niemand außer den Schulkindern oder sowieso Bekannten? Warum starren die Leute nur mit leerem Blick in der Gegend herum, vermeiden sich gegenseitig anzusehen oder spielen mit dem Smartphone? Manche sind auch in ein Buch vertieft.
Ähnlich ist es in den Wartezimmern der Ärzte, von denen ich im Lauf der letzten Jahre eine ganze Menge kennengelernt habe: Die Wartezeit dauert elend lange, man sagt "Guten Morgen" und "Auf Wiedersehen" aber keiner kommt auf die Idee sich vielleicht mal mit dem Nachbarn zu unterhalten um das Warten kurzweiliger und angenehmer zu gestalten.
Oft hatte ich den Impuls in der Bahn oder dem Wartezimmer aufzustehen und die Leute mit einer Kasperei aufzuheitern oder sie zu fragen warum jeder so traurig vor sich hinbrütet anstatt sich freundlich zu unterhalten! Ich war aber meilenweit davon entfernt mich so etwas auch nur im Entferntesten zu trauen. Es wäre mir einfach zu peinlich gewesen mich vor allen Augen öffentlich zum Affen zu machen. Was sollen die Leute denn dann nur über mich denken?
Zur Zeit mache ich ja Psychotherapie in einer Tagesklinik und hatte diesen Punkt in einer Gruppe mal aus irgendeinem Grund angesprochen.
Und vorgestern passierte es dann plötzlich.
Ich war nach irgend einer Gruppentherapie einfach gut drauf und ging zufällig durch den Wartebereich in der Anmeldung der psychosomatischen Klinik.
Er war vollgepackt mit Leuten die sich über den Aufenthalt dort informieren wollten, Fragebögen durchlasen oder auf eine Führung warteten. Das sattsam bekannte Bild der einsam Wartenden und vor sich hin brütenden Menschen berührte mich mal wieder unangenehm.
"Warten macht Spaß, ne?" fragte ich laut vernehmbar im vorbeigehen. "Ich hätte da mal einen Tip für Sie: Unterhalten Sie sich doch einfach mal!"Grinsend und innerlich befriedigt ging ich durch die Glastür ins Treppenhaus, denn ich war auf dem Weg zu einem anderen Termin.
Einer der Wartenden hielt mich an der Tür auf und zeigte mir die Zeitung mit seinem Rätsel, daß er gerade gelöst hatte - sichtlich erheitert und dankbar für die kurze Abwechslung. Wir unterhielten uns einen Moment, dann musste ich weiter.
Ich grinste breit in mich hinein und aus mir heraus, war total begeistert über mich und dachte: "Jetzt haste es tatsächlich gebracht! Da wissen die Leute gleich was für Bekloppte sie hier erwarten und trauen sich gar nicht mehr in die Klinik einzuchecken!" ;-)
Ich habe mich selten besser gefühlt in meinem Leben.
2 Kommentare:
Ich bekenne: Neulich bin ich des nächtens in den hinteren Stadtbahnwagen gestiegen, weil (schluchz...) vorn schon einer drin saß.
Aber ich kann nichts dafür - ich bin nicht nur Norddeutscher, nein, ich bin sogar in "Nordhannover" geboren ...
Matthias Sesselmann
Nordhannover! Das erklärt so manches.
:-))
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