Dienstag, 8. Juli 2008

Im Namen des Volkes

…Trotz dieser ge­sundheitlichen Beeinträchtigungen ist der Kläger weiterhin in der Lage, einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit im Haltungswechsel ohne Witterungsbelastung, ohne Zwangs­haltungen, ohne Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht, besonderen Zeitdruck oder Stress oder mit erhöhten Anforderungen an die Konzentration in einem zeitlichen Umfang von 6 Stunden und mehr arbeitstäglich nachzugehen. Die Kammer stützt ihre Überzeugung…

Hat jemand schon mal in der Praxis so einen Job gesehen? Eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel, OK, das kanns wohl geben. Aber ohne Witterungsbelastung? Wenn es schwül und drückend ist, oder zu warm im Büro, kann ich wohl dann nach Hause gehen, wenn mein Herz rumzickt, was es gern bei solcher Witterung tut. Erst gestern lag ich den ganzen Tag im Bett, weil der Gang auf den Lindener Berg bei schwüler Witterung mein Herz für 2 Tage ausser Gefecht gesetzt hatte. Wohlgemerkt, der Lindener Berg ist der höchste Maulwurfshügel im ansonsten völlig platten Hannover, und ich bin auch nur bis zur Hälfte hoch gegangen. Im Schneckentempo.
Keine Wechselschicht und Zwangshaltungen, na ja, das gibts wohl auch. Aber in welchem Job gibt es heutzutage keinen Zeitdruck und Stress? Und wo muss man sich bei der Arbeit nicht großartig konzentrieren?
Falls jemand mal irgendwo einen Job gesehen hat, der all diese Vorraussetzungen erfüllt, bitte ich ihn, mir bescheid zu geben. Das ist die Tätigkeit, die ich laut Gerichtsbeschluss des Sozialgerichts Hannover vom 24. Juni 2008 noch über sechs Stunden täglich wahrnehmen kann. Trotz meiner gesundheitlichen Einschränkungen.
Vielleicht Vorkoster in einer Bonbonfabrik? Hmm, schlecht für meinen Diabetes.
Testspieler für Computerspiele? Ich fürchte zu lange Zwangshaltung vor dem Bildschirm mit Maus oder Gamepaddels.
Mir fällt einfach keine passende Tätigkeit zu diesem Gerichtsentscheid ein und ich habe auch keine Kohle mehr in die nächsthöhere Instanz zu gehen. Also kann sich der Staat und die deutsche Rentenversicherung darüber freuen, daß ich in Zukunft mit 264,73 € Teilerwerbsminderungsrente auskommen muss. (Furchtbar, dieses Beamtendeutsch)
Oder sollte es tatsächlich doch diesen vorgeschlagenen Traumjob geben? Wenn das deutsche Volk, also auch Du, mir solch eine Tätigkeit vorschlägt, dann muß es sie doch eigentlich irgendwo geben?

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vorkoster für Diabetikerbonbons.
Naa, was sagst du jetzt? :mrgreen:

Ne, wirklich sehr skuriler Bescheid. Vielleicht würde der Richter freundlicherweise dir seinen Job anbieten, denn ansonsten fällt mir da wirklich auch nichts mehr ein, ausser dass du noch ein paar Bücher schreibst.

Don Ralfo hat gesagt…

Nee, Richter am Sozialgericht ist der absolute Stressjob, da geht gaar nix. Die haben wegen Hartz IV so viele Verfahren an der Backe - der absolute Zeitdruck! Und den darf ich ja nicht ;-) Vielleicht kommen deshalb ja auch diese merkwürdigen Begründungen zustande?

Stefan hat gesagt…

So schlimm es sich anhört , aber der Rentenversicherung (noch besser dem Gesetz) ist es egal ob die Jobs die du machen kannst frei sind oder nicht. Das heisst du musst nur einen Job machen können den es (ein paar mal (ca.300) ) irgendwo gibt.

Ich möchte mal ein paar Beispiele nennen:
1. Verpacker von Kleinteilen in einer klimatisierten Halle
2. Poststellenmitarbeiter
3. Registrator
4. Pförtner an einer wenig besetzten Pforte
5. Museumsaufseher

Wenn du alle diese Tätigkeiten deiner Meinung nach nicht mehr ausüben kannst (wie gesagt das Argument " als Museumsaufseher gibt es keine freien Jobs " zieht nicht) dann solltest du auf es mit "Summierung außergewöhnlicher Leistungseinschränkungen" versuchen d.h. du kannst noch 6 Stunden arbeiten aber die Einschränkungen sind so viele oder so schwerwiegend dass es keine Jobs dafür gibt.

Die Klage vor dem Landessozialgericht ist kostenfrei, nur den Anwalt musst du bezahlen. Ich würde dir allerdings einen Sozialverband ( z.B. VdK) oder eine Gewerkschaft als Klagevertreter empfehlen, da die sich genausogut auskennen aber viel billiger sind.

Wegen der Rentenhöhe empfiehlt es sich nochmal nachzugucken ob im Versicherungsverlauf nicht noch irgendwelche Zeiten (z.B. Jobs, Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug aber mit Meldung beim Arbeitsamt, Krankheit, Wehrdienst) fehlen. Wenn was fehlt => Nachweise raussuchen wenn nicht versuchen die zu beschaffen (die Krankenkasse hilft da oft) .Wenn auch das nix bringt, dann trotzdem der Deutschen REntenversicherung Sagen was alles fehlt.

Tut mir leid, dass du an den falschen Gutachter geraten bist. Vielleicht klappts ja beim Landessozialgericht oder bei einem erneueten Antrag.

Don Ralfo hat gesagt…

@Stefan: Als Museumswärter müsste ich zu viel laufen, das geht gar nicht. Poststelle in einer Firma oder Pförtner könnte eventuell gehen, wenn da nicht viel los wäre. Der Rechtsanwalt hat mich bisher 500€ gekostet und die Chancen vor Gericht sind schlecht. Also werde ich wohl nicht weiterklagen. Das mit dem VDK wäre allerdings zu überlegen. danke für den Tipp.
Nachweise habe ich alle gebracht, aber ich war einige Jahre Hausmann und die Kindererziehungszeiten habe ich meiner Frau überschrieben. Da hat die Rentenversicherung drauf gedrungen. War wohl ein Fehler, den ich nicht mehr rückgängig machen kann. So stehts zumindest im Kleingedruckten irgendwo.
Die 6 Stunden Arbeitsfähigkeit sind ein schlechter Witz bei meiner Belastungsfähigkeit. Und ich habe auch wenig Bock, mein Leben mit Anträgen über Anträgen zu vergeuden. Dafür fehlt mir auch die Kraft.

Stefan hat gesagt…

Naja Museumswärter stehen die meiste Zeit nur rum .
Aber solange keine schwere Leistungseinschränkung gegeben ist, muss dir eh kein Job benannt werden.
Wer erwerbsgemidnert ist , kann man sehr genau aber auch sehr beamtendeutsch hier
http://www.deutsche-rentenversicherung-regional.de/Raa/Raa.do?f=SGB6_43R0
nachlesen.

Mach das mit dem VdK ,es kostet soweit ich weiss unter 100 EUR und die kennen sich (an meinem Wohnort) zumindest ziemlich gut aus.

Naja zu den Kindererziehungszeiten wenn du willst, kann ich da näher drauf eingehen . Aber du sagst ja selber dass du das als aussichtslos anssiehst.


Tut mir leid dass ich mich eingemischt habe, aber ich wollte mein kleines Wissen n bissl weitergeben.

Don Ralfo hat gesagt…

@Stefan: Bei mir darf sich Jeder einmischen wie er lustig ist! ;-)
Und den Tip mit dem VDK fand ich sehr hilfreich. Habe sofort dahin gemailt und schon Antwort erhalten. Da läuft noch was. Danke nochmal!

Anonym hat gesagt…

Viel Erfolg bei weiteren Schritten. Bin froh, dass meine Mutter ne BU für mich abgeschlossen hat als ich noch unter 18 war, dann ists und bleibts recht günstig. Wenn man das später macht, gehts oft nur mit Einschränkungen und maßgeblich teurer. Wenn mans garnicht macht, ist man leider vom Staat vollkommen abhängig. Was Jobs angeht, kannst du vielleicht versuchen irgendwo halbtagsweise den Papiertiger zu spielen, ansonsten fällt mir da auch nichts weiter ein.

LG Christian

Det4JC hat gesagt…

Ja Ralf, das mit RV und BG ist so ne Sache. Wenns ans Zahlen geht drücken die sich wo sie nur können. Hab' das selbst auch mit meiner Berufsunfähigkeit gemerkt. Als 49er Jahrgang bin ich eigentlich berechtigt eine Berufsunfähigkeitsrente zu erhalten. Eigentlich!
Bin zwar seit 1995 anerkannt berufsunfähig, habe aber nie einen Pfennig erhalten. Selbst die Umschulung hat das Arbeitsamt bezahlt. Den weiteren Verlauf kennst Du ja.
Sieh es einfach positiv: Die bei der BG und der RV tun zwar nichts, aber wenn sie nicht von unseren Beiträgen bezahlt würden, wären die auch noch arbeitslos. So sind sie wenigstens "auf dem 1. Arbeitsmarkt in Lohn und Brot" (Politikerdeutsch) und lungern nicht auf der Straße rum.

Anonym hat gesagt…

Naja ich bin einer der bösen ja total bösen Mitarbeiter der RV .

1. Werden immerhin mehr als die Hälfte der Anträge bewilligt
2. Sind es Gutachter die (zumindest zum Großteil) darüber befinden, wer berufsunfähig bzw. voll erwerbsgemindert ist
3. Die teilweise EM-Rente (bei Berufsunfähigkeit) ist eh so niedrig dass sie nur wenigen wirklich was bringt (meine persönliche Meinung)
4. Don Ralfo :
Ist bei dir Wegefähigkeit gegeben, also kannst du in 20 Minuten mehr als 500m laufen ?
Brauchst du betriebsunübliche Pausen (z.B. alle 2 Stunden ne halbe Stunde Pause) ?
Wenn ja , könnte es mit der Rente was werden.

Don Ralfo hat gesagt…

@anonym: Hallo Du superböhser Mitarbeiter der RV.
1. Ja ich kann schon in 20 Minuten vielleicht 1 - 2 Kilometer gehen. Das Herz macht das normalerweise mit. Aber an einem schwülen oder warmen Tag können 1000 Meter leicht bergauf auch schon im Schneckentempo zur Qual werden. Letztes habe ich mich bei so etwas übernommen und lag danach anderthalb Tage im Bett und kam sehr langsam wieder auf die Beine.
2. Ich würde garantiert keine 4 Stunden am Stück selbst bei einer sitzenden Tätigkeit durchhalten. Und auch keine fünf-Tage-Woche mit 6 Stunden Arbeit. Aber da mir eh niemand einen Job geben würde, kann ich das wohl nicht mehr austesten. ;-) Jedenfalls war ich nach 3 Stunden vorlesen im Altenheim den nächsten Tag völlig geplättet.
Aber ich werde mit Hilfe des VDK noch nen neuen Anlauf starten meine Behinderungsprozente auf mindestens 50% zu erhöhen und vielleicht nen neuen Antrag stellen. Ansonsten bin ich sehr gelassen und mache mir keine Sorgen. Vetraue halt auf unseren himmlischen Versorger und die Arbeitskraft meiner Frau ;-)