Samstag, 6. April 2019

Oh Happy Day

Mein guter Freund Klaus Dietzler war gestorben. Und nun war ich gefragt.
Viele Jahre zuvor kam ich einmal mit meiner Gitarre in die christliche Bücherstube in der Hildesheimer Strasse gegenüber dem Mormonentempel.
Mit den Mormonen hatten die Inhaber der Bücherstube rein gar nichts zu tun - der Laden befand sich nur zufällig dort.

Warum ich meine Gitarre dort auspackte und zu klimpern begann, weiß ich nicht mehr.

Ich fand zwei Akkorde, mit denen sich der Anfang von "Oh Happy day" spielen ließ und ich fing an das Lied so aus dem Stegreif zu singen.., überlegte wahrscheinlich ob man das Lied im Gottesdienst singen könnte und woher ich den ganzen Text wohl bekäme, der mir nur teilweise geläufig war.
Klaus jedenfalls swingte sofort mit und meinte: Dieses Lied mußt du unbedingt auf meiner Beerdigung spielen! Ich lachte über den Scherz und Klaus meinte: "Nein, das meine ich ganz ernst! Ich wünsche mir daß du das tatsächlich machst!"
Ich glaube, daß ich mich vor Lachen eher ausgeschüttet habe, denn Klaus war noch jung und fit und seine Beerdigung noch so weit entfernt - ich hielt es für einen von Klaus Scherzen, sein Humor war öfter recht skurril und ich liebte das. "Und dann sollen wir wohl auf deinem Grab tanzen?" fragte ich höchstwahrscheinlich zurück, "und so richtig Party machen?"
Klaus meinte, der Tag an dem er durch die Himmelstür gehen würde sei doch wohl ein Freudenfest für ihn und er wollte nicht, daß man um ihn trauern solle, sondern sich mit ihm freuen, daß er dann beim Herrn sei - in der himmlischen und ewigen Freude!

Über die nächsten ungefähr 20 Jahre erinnerte mich Klaus nun immer wieder an das "Versprechen", daß ich ihm angeblich gegeben hätte - auf seiner Beerdigung dieses Lied zu singen. Ich konnte mich nicht an eine Zusage meinerseits erinnern, aber Klaus beharrte darauf, daß wir da einen "Vertrag" hätten!
In der Zwischenzeit hatte ich einige schwerwiegende gesundheitliche Probleme, so daß ich daran zweifelte, ob er wirklich vor mir an der Himmelspforte klopfen würde, aber dann kam dieser Tag plötzlich aus heiterem Himmel: Eine spontane Gehirnblutung, die sich durch nichts angekündigt hatte.
Einige Tage vorher hatte mir Klaus noch putzmunter auf den Anrufbeantworter gesprochen und dann diese menschliche Tragödie.
Ich brachte es bis heute nicht über mich, diesen Anruf zu löschen und habe mir seine Stimme wieder und immer wieder noch einmal angehört.
Erst wenige Wochen vor seinem plötzlichen Tod hatte mich Klaus noch einmal an das Versprechen erinnert und ich war wirklich über die Jahre schwach geworden - ich sagte tatsächlich zu, glaube ich.

Und nun war ich in der Pflicht, seinen letzten Willen zu erfüllen. Allerdings hatte ich seit Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit auf einer Bühne gestanden, ja ich war heftig traumatisiert von "christlichen Bühnen" - es war mehr als eine Herausforderung für mich, es war ein Riesenberg, der vor mir lag.
Nicht allein, daß ich von der christlichen Bühne traumatisiert war, Klaus hatte sein Ableben dazu auch noch sehr ungünstig für mich gelegt: Ich befand mich kurz vor einem psychosomatischem Klinikaufenthalt, weil sich zu meinen üblichen tiefschwarzen Depressionen noch eine ätzende Angst- und Panikstörung gelegt hatte, die mir die Luft zum atmen raubte.

Wie sich herausstellte, hatte mein Freund nirgends einen anderen letzten Willen geäußert oder schriftlich niedergelegt so daß sein Liedwunsch "Oh Happy day" im Prinzip das Einzige war, was er ausdrücklich und nachdrücklich festgelegt hatte - alle engen Freunde im Hauskreis wussten davon, denn er hatte das des öfteren in geselligen, launigen Runden verlautbart.
Einige Tage vor der Trauerfeier ging meine Gitarre kaputt. Damit war ich total überfordert, denn in meinem jämmerlichen Zustand brachte ich nicht die Kraft auf, die Gitarre zur Reparatur zu bringen.
Ich rief Jochen an, der sich bereit erklärt hatte mich am Keyboard zu begleiten. Der hatte Verständnis und Zeit das für mich zu erledigen, so daß mir eine letzte Ausrede (Gitarre kaputt) abhanden kam.

Auch einige andere Freunde der Hauskirche würden mit mir zusammen auf die Bühne kommen, um den Lobpreisteil der Trauerfeier für Klaus zu gestalten - das nahm mir einen Teil der Last ab.
"With a little help from my friends" schien es mir nicht mehr ganz so unmöglich diese Trauerfeier zu einer Jubelparty umzufunktionieren. Na gut, sagen wir lieber: Diese Trauerfeier zu überleben!

Irgendwie hatte  sich in meinem Herzen der Gedanke festgesetzt: Und wenn ich dabei draufgehe, was auch immer mit meiner verwirrten und durchgedrehten Psyche geschieht - ich werde auf diese Bühne gehen und meinem besten Freund die letzte Ehre erweisen. In der Hoffnung, daß er vom Himmel aus zusieht und zu schätzen weiß was ich für ihn tue.

Es wurde eine sehr bewegende Feier im Gemeindesaal der Baptisten in der Walderseestraße. Die Predigt und die verschiedenen Ansprachen waren einzigartig; der Saal gerammelt voll.

Wieder Erwarten konnte ich meinen desolaten Seelenzustand für die ganze zeit völlig beiseite schieben, als es für mich ernst wurde. Ich fand sogar plötzlich die Kraft und Leichtigkeit eine Ansage zu dem einigermaßen ungewohnten und von vielen möglicherweise als unpassend empfundenen Lied "Oh happy day" zu machen. Ja ich fühlte mich sogar wunderbar getragen und geborgen vom heiligen Geist, dem Geist der Freude - dem Geist der Auferstehung!

Und das Alles kam mir wieder von Neuem in den Sinn, als ich neulich die Osterausstellung in derselben Gemeinde besuchte und von einer mir völlig unbekannten Schwester auf das Lied angesprochen wurde: Sie waren das doch, der damals bei der Trauerfeier für Klaus Dietzler Gitarre gespielt hat! Das hat sich bei mir irgendwie völlig eingebrannt! OH HAPPY DAY!

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