Dienstag, 26. Februar 2019

Gottes Arbeit erledigen?

Ich denke ständig über mein Leben nach. Über die Dinge für die ich Gott dankbar bin und noch mehr über die Dinge die schief gelaufen sind. Und ich versuche ständig die Ursachen dafür zu ergründen. Das ist schon zwanghaft bei mir und ich wünschte ich bräuchte nicht so viel über mich nachdenken. 
Sei 1977 habe ich so Einiges mit Gott erlebt und wollte ihm immer mit ganzem Herzen und ganzer Kraft dienen.
Allerdings habe ich den Eindruck gewonnen, daß ich sehr häufig versucht habe schneller voranzugehen als Gott das eigentlich von mir wollte. Sobald ich den Eindruck hatte, daß Gott mich in irgend einer Richtung gebrauchen wollte war ich unter Volldampf, reflektierte nicht großartig darüber und setzte mich in Bewegung wie eine Dampflokomotive. Ob mir andere hinterher kamen interessierte mich wenig. 

Und auch die Zeitpunkte Gottes (kairos) interessierten mich wenig. Gott war ja schließlich im "Wunder-Business" und hatte gefälligst dafür zu sorgen, daß Leute sich bekehren, geheilt und befreit wurden und ihr Leben auf die Reihe kriegten. Und wenn Gott sich mit seiner Arbeit Zeit ließ, wenn die Wunder auf sich warten ließen war ich sehr wohl geneigt ihm ein wenig nachzuhelfen.
Wenn ich zum Beispiel einen leisen Eindruck oder Impuls in meinen Gedanken verspürte, posaute ich diesen gerne auf der Bühne mit dem Anspruch hinaus: "Der Herr hat gesagt!", obwohl eigentlich der Herr gar nichts gesagt hatte.

Ich hatte vielleicht den Eindruck, daß der Herr eventuell etwas Bestimmtes  sagen wollte, aber ich hörte ja keine Stimme aus dem Himmel, kein Engel war mir erschienen und eigentlich war ich mir unsicher, ob dieser leicht verschwommene Eindruck wirklich vom heiligen Geist gewirkt war, oder einfach durch ein frommes Wunschdenken meinerseits. 
Aber in unseren Kreisen sagte man damals ja mit dramatischer Stimme: "So spricht der Herr", oder Ähnliches. 
Und dann sprach ich kühn im Namen Gottes meine Weissagungen in die Runde. Ich würde ja nicht gesteinigt werden, wenn jemand Zweifel an meinen Aussagen hätte. Wir durften ja Fehler machen und neue Dinge ausprobieren - wie hätten wir denn sonst in den Gaben des heiligen Geistes wachsen sollen? So die durchaus gängige Meinung in der charismatischen Bewegung damals.

Heutzutage kommt mir das nackte Grauen über diese Anmaßungen von damals und ich bin froh, daß mich manchmal nicht der direkte Blitzstrahl vom Himmel getroffen hat!

Ich hatte das aufrichtige Verlangen und die Sehnsucht, daß Gott noch viel mehr und klarer reden und handeln sollte, ja ich verzehrte mich sogar danach und betete wirklich inständig und intensiv für die Gaben des heiligen Geistes: Weissagung und Prophetie, Heilungen, Zeichen und Wunder.

Aber Gott nachhelfen wollen? Gottes Arbeit erledigen wollen? Gott war so gnädig, mir immer wieder echte Eindrücke durch seinen Geist zu schenken - Dinge, die viele Glaubensgeschwister tatsächlich sehr ermutigt haben und die sie noch viele Jahre später erinnerten, weil es sie tief berührt hatte. Und vieles hatte sich auch tatsächlich bestätigt. 

Aber was ist mit dem ganzen Unheil, daß ich möglicherweise dadurch angerichtet habe, daß ich frecher Weise falsche Hoffnungen in Menschen geweckt habe?
Vielleicht war so mancher von Gott enttäuscht und hat sich innerlich sogar von ihm abgewendet?
Und was für negative Auswirkungen hatte diese Handlungsweise bei mir selbst?

Ich wollte damals am liebsten die ganze Welt retten und in die Arme Gottes hineinpushen, aber ist es nicht ein Einziger, der so etwas tun könnte?

Golgota, Gemälde von Mihály von Munkácsy, gemeinfrei.

Und ich glaube, er hat es vor zweitausend Jahren schon längst auf Golgatha getan - diesem Hügel vor Jerusalem, der "Schädelstätte". 
Nur einer kann die ganze Welt auf seine Schultern nehmen und retten: Der einzigartige Sohn Gottes - Jesus Christus. Am Kreuz, als er für meine und Deine Sünde starb.

Meine Schultern und keine anderen Schultern der Welt sind dafür geeignet und berufen. Ich habe mich damals schwer an dieser Last verhoben. Wir können und sollen nicht Gottes Arbeit erledigen. "Was ER euch sagt, das tut", sagte einst seine Mutter Maria zu den Dienern bei der Hochzeit zu Kana. Wir sollten nicht versuchen mehr als das zu tun!


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das ist wahr!
Gott segne Dich!
Pini

Anonym hat gesagt…

Wehe, man warnte in jenen Jahren vor falschen und anmaßenden Pseudogeistesgaben. Bei mir brach der Shitstorm los: „Er dämpft und verhindert den Geist Gottes.“ Ich sprach mit bisher befreundeten Verantwortlichen und teilte ihnen mit: „So habe ich 1972 Jesus Christus nicht kennengelernt!“ Ich erlebte in jenen Jahren das echte Wirken Gottes, eine Erfüllung und Vollmacht, die nur in der Hingabe und Heiligung wirklich möglich ist. Jesus Christus gibt echte Geistesgaben nicht aus Jux und Dollerei! Gott gibt die Begabung für die Aufgaben im Reich Gottes, die man tatsächlich tut.
Wie reagierten die bisher befreundeten Verantwortlichen? Ja genau so, wie vermutet. „Er ist lieblos, es steht ihm nicht zu, wir wollen ihn hier nicht!“ Dann auch noch „Geistliches Alzheimer“: „Es ist solange her, wir wissen gar nicht mehr, um was es ging.“ Abweichende Meinung geäußert – also lieblos! Dann, fürchte ich, ist Gott auch lieblos: „Haben wir nicht Kraft deines Namens mit Kranken gebetet, geweissagt und Dämonen ausgetrieben? Hinweg von mir, ihr Übeltäter, ich kenne euch nicht!“ (Matthäus 7, 21-23)

Matthias Sesselmann

Don Ralfo hat gesagt…

Lieber Matthias,
Mir drängt sich beim Lesen dieses Kommentars eine Frage auf: Hast du denen, die dich damals verletzt haben von Herzen vergeben? Oder ist da immer noch ein Rest von Bitterkeit in deiner Seele, weil du dich misverstanden und schlecht behandelt gefühlt hast? Ist es dir möglich eigene Fehler in der damaligen Zeit zu sehen, oder hast du immer nur alles richtig gemacht? Bist du mit der Vergangenheit versöhnt?
Liebe Grüße
Ralf

Anonym hat gesagt…

Als Christ habe ich 1972 zunächst allen möglichen bisherigen Feinden nicht nur vergeben. Ich sprach sie sogar persönlich an und erklärte ihnen, warum mein Leben sich durch Jesus Christus verändert hat. Besondere Zielgruppe: fiese Lehrer und Mitschüler; Mitarbeiter des Verfassungsschutz sowie last not least das Drogendezernat! Irgendwann kamen die von mir zuvor schon erwähnten Konfliktgespräche mit christlichen Bekannten, die massiv neue Lehren als einzige Wahrheit vortrugen.
Mein Widerstand wurde mit dem „Totschlagargument“ niedergeknüppelt: „Er verhält sich lieblos und kann bzw. will nicht vergeben!“ Jeder, der diesen Lehrsatz zuerst aussprach, hatte die Diskussion schon gewonnen …
Stimmt es eigentlich, dass der Beschuldigte nicht vergibt? Kann er, falls er das täte, eigentlich fast fünf Jahrzehnte ein geistliches Leben führen?
Und wie sieht es aus, wenn die andere Seite Schuld und Schaden anrichtet, ohne es arroganter weise jemals eingesehen zu haben?
Die vorhandenen Fehlverhaltensweisen anderer darf jeder an Hand der Bibel prüfen – und, ja!, sogar zu einer negativen Bewertung kommen. „Prüfet alles und das beste behaltet.“ Manchmal wollten sie auch nur mein bestes – doch ich gab es ihnen nicht. Ich behielt meine Meinung gegen viele Stimmen bis auf den heutigen Tag. Ich fühle mich mit meiner Meinung von Gott getragen. Es ist sogar lebenswichtig, vor schamanistisch anmutenden Über-Charismen zu warnen.Solche gefälschten Geistesgaben sind dämonischen Ursprungs!

Bei Johannes 20, Vers 23 lesen wir zur Vergebungs-Frage folgendes: „Wem immer ihr die Schuld vergebt, dem ist sie vergeben, und wem ihr sie behaltet, dem ist sie behalten.“

Matthias Sesselmann

Don Ralfo hat gesagt…

@Matthias, damals gab es viele Mahner und Warner, nicht nur dich. Wir waren jung und Neulinge im Glauben. Und viele hatten große Sehnsucht und Hunger nach den Gaben des heiligen Geistes. Schliesslich wurden wir durch die Bibel ermutigt, danach zu eifern!
Das bedeutet doch wohl, dass einem diese Gaben nicht unbedingt in den Schoss fallen, sondern dass man sich eifrig darum bemühen soll.
Aber wir "Charismatiker" wurden nicht etwa in diesem Bemühen unterstützt und an die Hand genommen, sondern alles was wir von älteren Geschwistern und Leitern erfuhren, waren Warnungen und große Skepsis allerseits. So kam es zumindest bei mir an.
Es gab keinerlei Lehre über diese Themen und niemand zeigte uns, wie diese Gaben vernünftig angewendet werden können. Anstatt dessen wurden wir von vielen misstrauisch beäugt.
Selbst eindeutig schriftgemäße Dinge, wie z.B. das Heben der Hände im Gebet und Lobpreis wurden kritisch betrachtet, weil es ja "eine Nähe zum "Charismatischen" hatte. Und dieses gesamte Gebiet wurde als gefährlich betrachtet, weil es ja auch zugegebenermaßen Missbrauch der Geistesgaben gibt.
Wie sollten in solch einer Atmosphäre des Misstrauens überhaupt Geistesgaben eingeübt werden? Die sind ja laut Paulus zum Nutzen der Gemeinde gegeben worden!
Für dich ist die Sache offensichtlich klar. "Die Andere Seite" hat Schuld auf sich geladen und war oder ist teilweise sogar dämonisiert. Viele von der "anderen Seite" haben übrigens ihre Meinung ebenfalls bis heute gegen alle Widerstände behalten und fühlen sich von Gott getragen.
Das ist aber kein Kriterium für richtig oder falsch. Im übrigen werden wir durch Gottes Gnade getragen und nicht durch eine "richtige Meinung"
Meinungen über die Auslegung der Bibel gibt es ungefähr so viele, wie es Christen gibt! Du wirst selbst in einer homogenen Gemeinde kaum zwei Leute finden, die über jedes biblische Thema exakt die Gleiche Meinung haben. Das ist zumindest meine langjährige Erfahrung.
Das worauf es ankommt, ist ein aufrichtiges Herz vor Gott und nicht die richtige biblische Erkenntnis!
Und ja, ich bin der Überzeugung, dass auch von vielen Warnern und Mahnern Schuld auf sich geladen und Schaden angerichtet wurde, die nie eingesehen wurde. Bei mir jedenfalls hat sich noch Keiner für irgendwas Entschuldigt.
LG
Ralf