Donnerstag, 15. Februar 2007

Herrman Hesse und mehr...

Gestern erzählte mir meine Tochter freudestrahlend von einem guten Buch, daß sie gerade zum 2. mal liest: "Die Kunst des Liebens" von Erich Fromm. Ich hatte es ihr dereinst empfohlen. Sie meinte zu mir, daß es beim 2. Mal lesen ganz anders und noch viel besser auf sie wirkt und nimmt sich fest vor, es noch zum dritten mal zu lesen. "Mal sehen, wie es dann ist!"
Offensichtlich hat das Buch sich in der Zwischenzeit nicht verändert. - Aber meine Tochter hat sich verändert. Sie ist erwachsener und selbstständiger geworden.
Ähnlich geht es mir mit Hermann Hesse. Seine Bücher hatten mich in der Jugend sehr stark berührt und beeinflusst. Als ich später Christ wurde, meinte ich: eher zum Schlechteren hin,
Hesse ist ja in christlichen Kreisen wohl eher als Esoteriker und falscher Mystiker verschrien.
Jedenfalls habe ich mich ziemlich von seinem Gedankengut distanziert. Schließlich hatte die Lektüre seiner Bücher mich für das Hippietum und dem Nachlaufen von indischen Gurus und "dämonischen" Kräften infiziert.
Aber letztens kam in mir der Wunsch auf, den "Steppenwolf" und "Siddharta" nach über 30 Jahren nochmal zu lesen.
Das war ein ganz erstaunliches Leseabenteuer. Keine Bange - ich verspüre heute keinen Wunsch mehr, irgendwelchen Gurus nachzulaufen, indische Meditation zu praktizieren oder mich in esoterische Praktiken einzulassen. Ich finde Jesus nach wie vor ganz wunderbar und ich bin nicht mehr auf der Suche nach Gott, wie früher. Ich habe ihn endgültig gefunden, oder richtiger: Er hat mich gefunden! Ich brauche keine andere Quelle des Lebens. Das ist Jesus für mich.
Aber Herrmann Hesse ist ein wunderbarer Erzähler. Er hatte viel Weisheit und Einblick in die menschliche Psyche. Ich verstehe jetzt viel besser, warum er mir damals so viel bedeutet hat.
Die gleiche seelische Zerrissenheit, die Ängste, die Träume und Wünsche, die mir in seinen Büchern begegnet sind, habe ich auch bei mir selbst entdeckt. Ich hatte das Gefühl: Hier versteht mich einer, hier hat jemand das Gleiche durchgemacht, wie du.
Damals konnte ich mit seinem christlichen Hintergrund und den daraus folgenden Gedanken nicht viel anfangen, heute kann ich die Kämpfe seiner Kindheit viel besser nachvollziehen.
Es war und ist mir ein absoluter Hochgenuss, ihn nach über 30 Jahren wieder neu zu entdecken.
Ich merke, so wie meine Tochter, wie sehr ich mich geändert habe und verstehe mich selbst ein Stück weit besser. Ich habe als Christ zwar einen neuen Geist bekommen als ich durch Gottes Gnade von neuem geboren wurde. "Ein Neues ist geworden" Ich bekam ein neues "Herz".
Aber das Kind und der Jugendliche von damals leben immer noch tief in meiner Seele. - Gestorben ist nur der alte "Geist".
Und es ist ungesund für die Psyche und bringt uns geistlich auch nicht voran, dieses "Kind in uns" zu verleugnen.
Der "alte Mensch" ist gestorben, wenn wir uns Jesus zuwenden und ihm nachfolgen. Wir sollen uns für gestorben erachten, fordert Paulus. Ja, das ist schon richtig - betrifft aber in erster Linie unseren menschlichen Geist, nicht die Seele. Es betrifft unser Herz, nicht unseren Verstand.
Ich bin der festen Überzeugung, daß Gott uns als eine "Ganzheit" sieht. Und das er uns als eine "Ganzheit" liebt. Er sieht das Kind und den Jugendlichen in uns. Er sieht den jungen Erwachsenen und den alten Mann oder die alte Frau. Unser ganzes Leben ist vor ihm ausgebreitet und wie ein offenes Buch. Er liebt nicht erst den bekehrten und veränderten Christen, sondern genauso das ängstliche kleine Kind und den rebellischen Jugendlichen in uns. Und das sollten
wir auch tun!

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